Berlin Insane oder: Dr. Motte & der Dipl.-Kult.
Es gibt Menschen, die doktern mühsam an ihrer Promotion herum – wie ich zum Beispiel. Und es gibt Menschen, die verpassen sich ihren Doktortitel gleich selbst und lassen andere die Promotiontour machen – wie der Loveparade-Erfinder und Blogwart Matthias Roeingh alias Dr. Motte zum Beispiel. Am Sonnabend, dem 21. Oktober 2006, luden Steve Morell und Emma Eclectic zum nunmehr vierten Berlin Insane in die Volksbühne. Dr. Motte hatte mir via Mail mitgeteilt, dass er mich auf die Gästeliste setzen würde (Flickr sei Dank!). Pünktlich um 21:00 Uhr segelte ich in die Volksbühne ein, da ich vorab schon mal einige Fotos machen wollte, quasi zum Aufwärmen.
"Gästeliste: Bitte am Mitteltresen melden", steht auf einem Zettel im Foyer. "Ahoi, ich stehe bei Dr. Motte auf der Gästeliste", sage ich zu der jungen Dame. "Echt?" gibt sie erstaunt zurück und reicht mir auch schon das gelbe Plastikarmband. Etwas ziellos trudel ich zwischen den einzelnen Bühnen in Hauptraum, Sternfoyer, Rotem und Grünem Salon hin und her. Überall ist etwas im Gange, alles ist der Selbstorganisation und dem Geschmack der Anwesenden überlassen. Oben trommelten N.U. Unruh im wahrsten Sinne ohrenbetäubend (Betäubung kann schön sein.)
Klick-klick-klick, erste Fotos. Im Anschluss schwuchtelte sich Boy From Brazil auf sehr gewagten hochhackigen Schuhen durchs Sternfoyer und balancierte sogar damit stehend auf einem Barhocker. Alle Achtung, Baby!
Als ich die süße Fronfrau von Goldfish auf der Hauptbühne entdecke, beschließe ich sogleich, eine Nahaufnahme zu machen und turne nach vorn in die erste Reihe. Und dort sitzt, nein: zappelt er, mit Kamera und Stativ bewaffnet, und hält flink jede Bewegung auf der Bühne fest: Dr. Motte! Der große kosmische Magnet, der uns wie kleine Eisenpfeilspäne in feldartigen Mustern anordnet, hat uns zusammengeführt. Wir begrüßen uns, vergleichen unsere Digicams (ich: Sony / er: Panasonic) und neidlos muss ich anerkennen: seine hat mehr drauf. War ja auch doppelt so teuer. Anyway, wir machen erst einmal jeder ein Doppelportrait und vergleichen danach unsere Aufnahmen.
Warren Suicide betreten die Volksbühne und stürmen im Nu das gut gefüllte Rockfort. Ich mache einige schicke Fotos vom Frontmann, der direkt vor meiner Nase posiert (ich danke sehr!) und verliebe mich spontan in die Keyboarderin, eine lächelnde Prinzessin im himmelblauen Kleid, – und prompt versagt mein Blitzlicht. Am Ende des Gigs schmeißt mir der Sänger seine Gitarre vor die Füße und ich weiß, das hat etwas zu bedeuten: ich bin doch der Auserwählte, ich bin der Frankfurter Buchmessias.
Ab diesem Zeitpunkt habe ich allerdinx die Übersicht verloren, die meisten nachfolgenden Acts blieben für mich namenlos („Wie heißt die Band? Tinitus?“) und verschwimmen in meiner Erinnerung zu einer Einheit. Recht lebhaft kann ich mich jedoch an die Crack Whore Society erinnern: Greatest Rock’n’Roll! Der Boden hat gebebt und die Menge gekocht (heute auf der Speisekarte: Menschenauflauf). Nach jedem Song rief der Sänger in klassischer Manier zur Technik rüber: "Mehr Druck auf die Monitorboxen, ich kann mich nicht hören!, Ein bisschen mehr Bass, der war gar nicht mit drin!, Zu leise alles, ihr müsst insgesamt viel lauter machen!" etc. - - Unbedingt nächtes Mal wieder einladen!!!
Weitere Impressionen des Abends:
- Als ich mit einem der drei Musketiere Basti, Chris & Sandro, die mir fortan Gesellschaft leisten, im Hauptraum sitze, beugt sich plötzlich ein Gesicht wie der Mond bei einer Eclipse über uns und fragt: "Ey, habt ihr Gras?"
- Zwei Männer hängen auf der Herrentoilette synchron über dem Waschbecken, als wären dort Zapfhähne mit Gratisbier installiert. War aber nicht.
- Ich meine Gunther von Hagens mitsamt seiner Familie gesehen zu haben.
Als ich dem gelangweilt dastehenden Garderobier gegenübertrete und ihm mit den Worten "O du wackerer Garderobenmann, kommst du denn an diese Jacke rann?" meine Marke reiche, reimt er spontan zurück: "Und wann?" Ich bin spontan verblüfft und antworte: "Jetzt sofort, aber dallidalli!" Das Jetzt war um 3:33 Uhr; kurz danach verließen die drei Musketiere, mit mir als D'Artagnan und viertem im Bunde, den Ort des Geschehens und rollten über die Wiese davon.
Fazit: Berlin Insane – nächtes Jahr wieder!
viasion - 23. Okt, 15:09
Trackback URL:
https://viasion.twoday.net/stories/2841012/modTrackback