Montagmorgen
Manche Leute ziehen ja selbst auf Feierlichkeiten und in Clubs am Wochenende ein Gesicht als ob es Montagmorgen ist und sie gerade einen Stapel Arbeit auf den Tisch respektive vor den Latz bekommen haben. Wenn es dann tatsächlich Montag ist, wissen diese griesgrämigen Menschen natürlich nicht mehr, wie es jetzt dreinzuschauen gilt. Da nerven sie dann durch übersteigerten Aktivismus. Beides ist Fehl am Platze: Doof aus der Wäsche gucken am Wochenende und Held der Arbeit bzw. des Gesprächs am Montagmorgen sein zu wollen.
Kürzlich verwehrte mir eine Gruppe solcher Menschen ein Schläfchen, um die noch ausstehende Viertelstunde bis zur Vorlesung optimal zu nutzen, weil sie ihre aufregenden Jahreswechselgeschichten und Vorbereitungen auf das immens wichtige Seminar bei Professor XY lautstark besprechen mussten. „Ach ich bin so stolz auf mich, denn ich habe das Referat heute schon fertig, obwohl ich es erst am Freitag halte.“ Respekt, mein lieber mein Mann, die hat es ja richtig drauf! Entscheidend ist aber nicht das Datum der Fertigstellung, sondern die Qualität des Ausgearbeiteten. Wir werden sehen!
Ein anderer Aktivist der frühen Stunde verbreitete seine Geschichten über die Nacht zwischen den Jahren. Da ging offensichtlich Einiges bei ihm. Schön Fondue in Familie und dann hat er wohl wahnsinnig einen drauf gemacht mit seinen 58000 Böllern. Und natürlich: Ui, Ui, Ui – selber noch welche gebastelt – die haben geknallt, das glaubt man nicht. Das hätte er ja alles lieb und gerne seiner Küchenuhr erzählen können, aber er tat es mit deutlich zu vielen Dezibel eine Reihe hinter mir. Ich dachte in diesem Moment an die Waffenauswahl des Bruce Willis in Pulp Fiction: Hammer, Baseballschläger, Kettensäge, Samuraischwert.
Nur wenige Momente später stimmte eine nervige Frauenstimme in den Kanon der Belanglosigkeiten ein und erzählte von ihrem Freund und dass sie ja die ganze freie Zeit bei und mit ihm verbracht hat (klar, wenn keine Familie da ist, bei der man aufgenommen wird, dann eben zum Stecher). Na und sie haben ganz viele tolle Sachen gemacht: Weihnachtsmarktbummel, Schlittschuhlaufen, Einkaufen gehen, einen Wellnesscentertag, zusammen Videos ausleihen (bestimmt Pretty Woman und Schlaflos in Seattle) und frühmorgens Frühstück im Bett. Fantastisch, also die ganze gequirlte Scheiße, die Männer nur mitmachen, um was ganz Besonderes zu sein und natürlich was fürs Bett zu haben. Hätte er sie zum „Wet-T-Shirt-Contest“, einem Biersuffwettkampf mitgenommen und „Jetzt wird es schmutzig“ - Filme ausgeliehen, wäre ich nicht nur wach gewesen, sondern hätte auch gleich versucht den Typen für die nächste Party einzuladen. So aber nicht!
Dann war der Albtraum zu Ende. Nicht etwa weil der Professor mit seiner Vorlesung begann und die Labertaschen die Backen mal für neunzig Minuten halten würden, was ein Segen gewesen wäre, nein, ein lustiger Kommilitone klopfte mir von oben auf die Schulter. Ich hob den Kopf und er sagte: „Ha, ha du hast einen Abdruck von deinem Pullover auf deiner Stirn.“ Klar, demnächst lege ich meinen Kopf direkt auf die Bank und habe dann diese ganzen sinnfreien Sprüche („Je größer die Insel des Wissens, desto größer die Entfernung zum Ufer der Verzweifelung“ oder „Ein Ferd hat fier Beiner und wenn mal keiner, umfallt.“) spiegelverkehrt auf meiner Stirn bzw. ich lege mein Gesicht in einen Gesichtsbräuner, um in Rostock nicht mehr aufzufallen.
Endlich begann die Vorlesung und die hyperaktiven Montagmorgenmenschen regten sich nur noch über die notorischen „Zu spät Kommer“ auf, bevor sie endgültig für den Rest der Woche verstummten. Ich freue mich schon darauf, sie nächste Woche wieder zu hören und am Wochenende in der dunkelsten Ecke der Kneipe oder des Clubs schmollen zu sehen.
Karsten Görsdorf, Rostock, Januar 2002
Kürzlich verwehrte mir eine Gruppe solcher Menschen ein Schläfchen, um die noch ausstehende Viertelstunde bis zur Vorlesung optimal zu nutzen, weil sie ihre aufregenden Jahreswechselgeschichten und Vorbereitungen auf das immens wichtige Seminar bei Professor XY lautstark besprechen mussten. „Ach ich bin so stolz auf mich, denn ich habe das Referat heute schon fertig, obwohl ich es erst am Freitag halte.“ Respekt, mein lieber mein Mann, die hat es ja richtig drauf! Entscheidend ist aber nicht das Datum der Fertigstellung, sondern die Qualität des Ausgearbeiteten. Wir werden sehen!
Ein anderer Aktivist der frühen Stunde verbreitete seine Geschichten über die Nacht zwischen den Jahren. Da ging offensichtlich Einiges bei ihm. Schön Fondue in Familie und dann hat er wohl wahnsinnig einen drauf gemacht mit seinen 58000 Böllern. Und natürlich: Ui, Ui, Ui – selber noch welche gebastelt – die haben geknallt, das glaubt man nicht. Das hätte er ja alles lieb und gerne seiner Küchenuhr erzählen können, aber er tat es mit deutlich zu vielen Dezibel eine Reihe hinter mir. Ich dachte in diesem Moment an die Waffenauswahl des Bruce Willis in Pulp Fiction: Hammer, Baseballschläger, Kettensäge, Samuraischwert.
Nur wenige Momente später stimmte eine nervige Frauenstimme in den Kanon der Belanglosigkeiten ein und erzählte von ihrem Freund und dass sie ja die ganze freie Zeit bei und mit ihm verbracht hat (klar, wenn keine Familie da ist, bei der man aufgenommen wird, dann eben zum Stecher). Na und sie haben ganz viele tolle Sachen gemacht: Weihnachtsmarktbummel, Schlittschuhlaufen, Einkaufen gehen, einen Wellnesscentertag, zusammen Videos ausleihen (bestimmt Pretty Woman und Schlaflos in Seattle) und frühmorgens Frühstück im Bett. Fantastisch, also die ganze gequirlte Scheiße, die Männer nur mitmachen, um was ganz Besonderes zu sein und natürlich was fürs Bett zu haben. Hätte er sie zum „Wet-T-Shirt-Contest“, einem Biersuffwettkampf mitgenommen und „Jetzt wird es schmutzig“ - Filme ausgeliehen, wäre ich nicht nur wach gewesen, sondern hätte auch gleich versucht den Typen für die nächste Party einzuladen. So aber nicht!
Dann war der Albtraum zu Ende. Nicht etwa weil der Professor mit seiner Vorlesung begann und die Labertaschen die Backen mal für neunzig Minuten halten würden, was ein Segen gewesen wäre, nein, ein lustiger Kommilitone klopfte mir von oben auf die Schulter. Ich hob den Kopf und er sagte: „Ha, ha du hast einen Abdruck von deinem Pullover auf deiner Stirn.“ Klar, demnächst lege ich meinen Kopf direkt auf die Bank und habe dann diese ganzen sinnfreien Sprüche („Je größer die Insel des Wissens, desto größer die Entfernung zum Ufer der Verzweifelung“ oder „Ein Ferd hat fier Beiner und wenn mal keiner, umfallt.“) spiegelverkehrt auf meiner Stirn bzw. ich lege mein Gesicht in einen Gesichtsbräuner, um in Rostock nicht mehr aufzufallen.
Endlich begann die Vorlesung und die hyperaktiven Montagmorgenmenschen regten sich nur noch über die notorischen „Zu spät Kommer“ auf, bevor sie endgültig für den Rest der Woche verstummten. Ich freue mich schon darauf, sie nächste Woche wieder zu hören und am Wochenende in der dunkelsten Ecke der Kneipe oder des Clubs schmollen zu sehen.
Karsten Görsdorf, Rostock, Januar 2002
viasion - 25. Jan, 11:32
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