Drogen und andere Unzulänglichkeiten
Ping. Der übel riechende Fahrstuhl öffnet seine Pforten und ich entweiche ihm. Das flackernde, operationsraumähnliche Licht, wie es überall in Berliner Hochhäusern zu finden ist, weist mir den Weg zu der Tür, hinter der Freunde, Bekannte, Fremde ein Fest zelebrieren sollen.
Kling – Klong. Es öffnet sich die Wohnungstür und zur Begrüßung steht bereit, nein, eben nicht jemand den ich kenne, sondern irgendein blasses Geschöpf mit Kapuzensweater, einer in den Kniekehlen hängenden Hose und einer Menge Blech im Gesicht.
Sofort dringt ein tiefer Bass an mein Ohr und eine Wolke von noch unbestimmbaren Ingredienzien bahnt sich den Weg durch meine Atmungsorgane. Der Blick in die Küche offenbart ein Desaster, das jeder Beschreibung spottet und daher meidet man diese Zone besser. Auf dem Wohnzimmertisch liegt ein halbes jamaikanisches Hanffeld abgeerntet. Der Berg war so groß, wie wenn jemand Chips aus der Tüte in eine Schale schüttet.
Jeder greift zu – bezahlt wird durch Anwesenheit. Gesprochen wird wenig, wenn dann wird geflüstert oder herzhaft gelacht. Alle nicken nur zu dem Beat, der aus der Box kommt.
Keine Eile oder Hektik ist im Raum zu vernehmen, es ist eher mit dem angeblichen Ausspruch Heraklits zu umschreiben: panta rhei – alles fließt.
Ich bahne mir den Weg zum nächsten Zimmer und finde meine Freunde versunken in der Musik, Wolken von süßem Duft und einer guten Flasche Rotwein. Alle haben dieses angenehme Lächeln auf den Lippen, das durch nichts erschüttert werden kann. Die kühle Herbstluft strömt ab und zu durch den Raum und erleichtert für einen Moment das Atmen. Der optimale Sitz an diesem Abend scheint der Schaukelstuhl zu sein. „Es ist wie eine Reise, wenn man einmal von ganz vorne nach hinten wippt.“ Minuten werden zu Stunden, eine Nacht wird zur Woche. Jeder beobachtet sich selbst, zumindest jedoch das Lächeln des Nebenmannes oder achtet auf Kleinigkeiten, wie das Aufflackern der Lichter an der Musikanlage. Alle freuen sich über die gemeinsam verbrachte Zeit, obwohl eigentlich keiner was erzählt hat.
Mitten in der Nacht, das Musiktape ist zum sechsten Mal durchgelaufen, erheben wir uns und schleichen dem Ausgang entgegen. Wir verabschieden uns beim Gastgeber, suchen unsere Schuhe, Rucksäcke, Jacken und verlassen diesen Kleinod der Ruhe in Richtung hektischer Großstadt.
Drei Jahre später sieht die Situation etwas anders aus. Die WHO Definition für Drogen ist uns allen geläufig: „Eine Droge ist jede Substanz, die im lebenden Organismus eine oder mehrere seiner Funktionen zu ändern vermag.“ Wahrlich waren damals bei dem ein oder anderen die vitalen Funktionen verändert. Jetzt hat sich eher die bürgerliche Ansicht über den maßvollen Genuss von Alkohol durchgesetzt, der in Mitteleuropa trauriger Weise eher akzeptiert wird als Abstinenz.
Karsten Görsdorf, Berlin, April 2001
Kling – Klong. Es öffnet sich die Wohnungstür und zur Begrüßung steht bereit, nein, eben nicht jemand den ich kenne, sondern irgendein blasses Geschöpf mit Kapuzensweater, einer in den Kniekehlen hängenden Hose und einer Menge Blech im Gesicht.
Sofort dringt ein tiefer Bass an mein Ohr und eine Wolke von noch unbestimmbaren Ingredienzien bahnt sich den Weg durch meine Atmungsorgane. Der Blick in die Küche offenbart ein Desaster, das jeder Beschreibung spottet und daher meidet man diese Zone besser. Auf dem Wohnzimmertisch liegt ein halbes jamaikanisches Hanffeld abgeerntet. Der Berg war so groß, wie wenn jemand Chips aus der Tüte in eine Schale schüttet.
Jeder greift zu – bezahlt wird durch Anwesenheit. Gesprochen wird wenig, wenn dann wird geflüstert oder herzhaft gelacht. Alle nicken nur zu dem Beat, der aus der Box kommt.
Keine Eile oder Hektik ist im Raum zu vernehmen, es ist eher mit dem angeblichen Ausspruch Heraklits zu umschreiben: panta rhei – alles fließt.
Ich bahne mir den Weg zum nächsten Zimmer und finde meine Freunde versunken in der Musik, Wolken von süßem Duft und einer guten Flasche Rotwein. Alle haben dieses angenehme Lächeln auf den Lippen, das durch nichts erschüttert werden kann. Die kühle Herbstluft strömt ab und zu durch den Raum und erleichtert für einen Moment das Atmen. Der optimale Sitz an diesem Abend scheint der Schaukelstuhl zu sein. „Es ist wie eine Reise, wenn man einmal von ganz vorne nach hinten wippt.“ Minuten werden zu Stunden, eine Nacht wird zur Woche. Jeder beobachtet sich selbst, zumindest jedoch das Lächeln des Nebenmannes oder achtet auf Kleinigkeiten, wie das Aufflackern der Lichter an der Musikanlage. Alle freuen sich über die gemeinsam verbrachte Zeit, obwohl eigentlich keiner was erzählt hat.
Mitten in der Nacht, das Musiktape ist zum sechsten Mal durchgelaufen, erheben wir uns und schleichen dem Ausgang entgegen. Wir verabschieden uns beim Gastgeber, suchen unsere Schuhe, Rucksäcke, Jacken und verlassen diesen Kleinod der Ruhe in Richtung hektischer Großstadt.
Drei Jahre später sieht die Situation etwas anders aus. Die WHO Definition für Drogen ist uns allen geläufig: „Eine Droge ist jede Substanz, die im lebenden Organismus eine oder mehrere seiner Funktionen zu ändern vermag.“ Wahrlich waren damals bei dem ein oder anderen die vitalen Funktionen verändert. Jetzt hat sich eher die bürgerliche Ansicht über den maßvollen Genuss von Alkohol durchgesetzt, der in Mitteleuropa trauriger Weise eher akzeptiert wird als Abstinenz.
Karsten Görsdorf, Berlin, April 2001
viasion - 26. Jan, 11:33
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