Fußball mal anders II
Ich habe weder die Frau aus Zehlendorf kennen gelernt, noch sind mir andere grundlegend positive Dinge widerfahren und so begab es sich, dass ich nun schon wieder zwei Fußballspiele auf die ganz andere Art erleben durfte.
Zum einen durfte ich bei einem drittklassigen „Arbeiterverein“ dessen Zuschauer begrabbeln und hatte auch noch das große Los gezogen dies mit den widerwärtigsten Kollegen zu tun, den mein Arbeitgeber zur Verfügung hatte. Da war erst mal die rothaarige, zwergesgroße Frau, die meinte, sie müsse sich entweder dem „Gruppenführer“ anbiedern oder die Klappe zu halten. Zweiteres wäre mir bei einer Arbeitszeit von fünf Stunden weit aus lieber gewesen. Dann waren da noch zwei Kumpane, die sich von ihren glorreichen Schlägereien im privaten Bereich berichteten und dazu noch die ein oder andere langweilige Geschichte von ihrer noch nicht allzu fern liegenden Bundzeit zu erzählen wussten. Aber eines einte die drei o.g. Kollegen, nämlich ihre große Freude mit Ossis zusammenzuarbeiten. Dieser Freude verliehen sie dann auch ständig und ununterbrochen Nachhalt. Will sagen: Ein Nachmittag in der Kälte, umgeben von Angebern und stupiden Westberlinern, die sich wenn es ihnen nicht passt, doch wieder zu ihrem „piefigen Ku´damm, dem peinlichen Europacenter und der scheißkaputten Kirche“ (D.Wischmeyer) zurückkehren können.
Der andere Verein, bei dem wir Menschen der besonderen Art vor sich selbst beschützen dürfen, hatte auch wieder zum Heimspiel geladen und welch´ Wunder es kam auch jemand. So ungefähr 40.000 Bekloppte und Bescheuerte trieben sich gegenseitig durch die engen Tore, wie Kühe, die zur Schlachtung geführt werden. Aber das einzige, was geschlachtet wird, sind ihre Geldbörsen. Jedem das seine.
Dieses Mal war es nicht die ekelhafte „Vorkontrolle“, auch nicht das Stehen im Block, was Erwähnung finden soll, sondern folgendes. So runde zehn bis fünfzehn Minuten vor Schluss des Spiels betrat ich erstmals die Katakomben des Olympiastadions, was für mich als kritischer Beobachter der Fußballszene schon ein Erlebnis ist. Aber das wahre Erlebnis folgte noch.
Wir zogen vor einen Block und stellten uns dort auf. Nicht nur, dass wir an der Weitsprunggrube vorbeigingen, in die schon Heike Drechsler und Mike Powell gesprungen sind, nicht dass wir über die Bahn gelaufen sind, auf der schon Michael Johnson seine Runde drehte, nein, es war etwas fast Persönliches, das mich ergriff. Da steht man vor ein paar tausend Fans, manche Gesichter sind zu erkennen, die meisten jedoch nicht. Die Heimmannschaft führte und die Fans sangen ihre Lieder. Sehr schön ist auch das Beobachten der Gesichter bevor ein Tor fällt, denn ich stand ja mit dem Rücken zum Spielfeld. Erst ist da die Hoffnung in den Gesichtern, kurze maximale Anspannung und dann bricht alles aus. Unbändiger Jubel der besonderen Art! In den letzten Minuten erhoben sich die Zuschauer, auch wenn nichts mehr passierte, hatte man den Eindruck, als ob viele einfach nur noch auf uns Jungs in den lustigen Ordnerjacken sahen. Den ein oder anderen erfreut man sogar mit einem Lächeln.
So sehr ich diese Fußballfans verabscheue, wenn ich sie in der S-Bahn sehe, sie am Eingang kontrollieren muss, sie an ihre Plätze bringen muss wie die kleinen Kinder, so sehr genieße ich den Anblick, wenn sie, entschuldigen Sie diesen Ausdruck geneigter Leser, als Masse dastehen und einfach nur wirken. Tucholsky sagte einst: „Die Riviera liegt da und sieht aus.“ Bei den Fans ist das so ähnlich.
Ach da war noch eine Sache: Durch die Demonstration einiger hundert Idioten und Verlierern unter den Linden war die Anzahl derer, die zwielichtige Kleidung und Symbole tragen dieses Mal besonders gering. Ich sage aber schon hier in Hinblick auf das nächste Spiel, dass ich lieber einen Opa mit seiner Thermoskanne voll Tee und Rum reinlasse als einen Kurzgeschorenen mit Nazisymbolen auf dem Arm. In diesem Sinne: Sport frei!
Karsten Görsdorf, Berlin, November 2000
Zum einen durfte ich bei einem drittklassigen „Arbeiterverein“ dessen Zuschauer begrabbeln und hatte auch noch das große Los gezogen dies mit den widerwärtigsten Kollegen zu tun, den mein Arbeitgeber zur Verfügung hatte. Da war erst mal die rothaarige, zwergesgroße Frau, die meinte, sie müsse sich entweder dem „Gruppenführer“ anbiedern oder die Klappe zu halten. Zweiteres wäre mir bei einer Arbeitszeit von fünf Stunden weit aus lieber gewesen. Dann waren da noch zwei Kumpane, die sich von ihren glorreichen Schlägereien im privaten Bereich berichteten und dazu noch die ein oder andere langweilige Geschichte von ihrer noch nicht allzu fern liegenden Bundzeit zu erzählen wussten. Aber eines einte die drei o.g. Kollegen, nämlich ihre große Freude mit Ossis zusammenzuarbeiten. Dieser Freude verliehen sie dann auch ständig und ununterbrochen Nachhalt. Will sagen: Ein Nachmittag in der Kälte, umgeben von Angebern und stupiden Westberlinern, die sich wenn es ihnen nicht passt, doch wieder zu ihrem „piefigen Ku´damm, dem peinlichen Europacenter und der scheißkaputten Kirche“ (D.Wischmeyer) zurückkehren können.
Der andere Verein, bei dem wir Menschen der besonderen Art vor sich selbst beschützen dürfen, hatte auch wieder zum Heimspiel geladen und welch´ Wunder es kam auch jemand. So ungefähr 40.000 Bekloppte und Bescheuerte trieben sich gegenseitig durch die engen Tore, wie Kühe, die zur Schlachtung geführt werden. Aber das einzige, was geschlachtet wird, sind ihre Geldbörsen. Jedem das seine.
Dieses Mal war es nicht die ekelhafte „Vorkontrolle“, auch nicht das Stehen im Block, was Erwähnung finden soll, sondern folgendes. So runde zehn bis fünfzehn Minuten vor Schluss des Spiels betrat ich erstmals die Katakomben des Olympiastadions, was für mich als kritischer Beobachter der Fußballszene schon ein Erlebnis ist. Aber das wahre Erlebnis folgte noch.
Wir zogen vor einen Block und stellten uns dort auf. Nicht nur, dass wir an der Weitsprunggrube vorbeigingen, in die schon Heike Drechsler und Mike Powell gesprungen sind, nicht dass wir über die Bahn gelaufen sind, auf der schon Michael Johnson seine Runde drehte, nein, es war etwas fast Persönliches, das mich ergriff. Da steht man vor ein paar tausend Fans, manche Gesichter sind zu erkennen, die meisten jedoch nicht. Die Heimmannschaft führte und die Fans sangen ihre Lieder. Sehr schön ist auch das Beobachten der Gesichter bevor ein Tor fällt, denn ich stand ja mit dem Rücken zum Spielfeld. Erst ist da die Hoffnung in den Gesichtern, kurze maximale Anspannung und dann bricht alles aus. Unbändiger Jubel der besonderen Art! In den letzten Minuten erhoben sich die Zuschauer, auch wenn nichts mehr passierte, hatte man den Eindruck, als ob viele einfach nur noch auf uns Jungs in den lustigen Ordnerjacken sahen. Den ein oder anderen erfreut man sogar mit einem Lächeln.
So sehr ich diese Fußballfans verabscheue, wenn ich sie in der S-Bahn sehe, sie am Eingang kontrollieren muss, sie an ihre Plätze bringen muss wie die kleinen Kinder, so sehr genieße ich den Anblick, wenn sie, entschuldigen Sie diesen Ausdruck geneigter Leser, als Masse dastehen und einfach nur wirken. Tucholsky sagte einst: „Die Riviera liegt da und sieht aus.“ Bei den Fans ist das so ähnlich.
Ach da war noch eine Sache: Durch die Demonstration einiger hundert Idioten und Verlierern unter den Linden war die Anzahl derer, die zwielichtige Kleidung und Symbole tragen dieses Mal besonders gering. Ich sage aber schon hier in Hinblick auf das nächste Spiel, dass ich lieber einen Opa mit seiner Thermoskanne voll Tee und Rum reinlasse als einen Kurzgeschorenen mit Nazisymbolen auf dem Arm. In diesem Sinne: Sport frei!
Karsten Görsdorf, Berlin, November 2000
viasion - 1. Feb, 11:47
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