COCOROSIE – THE ADVENTURES OF GHOSTHORSE AND STILLBORN
„Mach mal den Krach aus!”, schallt es aus dem Büro nebenan. Krach? Ja, Krach! Vortreffliche Wortwahl, gilt es den ersten Hörneindruck zu umreißen. Virtuoser Krach.
Vergleichbar mit Rousseaus genialer Infantilität, rekombinieren die Schwestern Sierra und Bianca Klänge aus einer längst vergessenen Zeit, die einzeln mit Sicherheit zur Wahrheitsfindung in US-Amerikanischen All-Inklusive-Anlagen an Cubas Südküste benutzt werden, hier jedoch mit einer Leichtigkeit, dass einem Schwindelig wird. Man möchte sich wie damals mit geschlossenen Augen und ausgestreckten Armen im Kreise drehen, bis der ganze Körper taumelt. Freudentaumel. Mit einem selbst als Mittelpunkt des Universums.
Unbeschwertheit. Dieser Begriff kommt einem unwillkürlich in den Sinn, sobald sich die Ohren an den akustischen Nexus gewöhnt haben. Wer jetzt noch eine gewisse Kongruenz zu den Werken einer kleinen Isländischen Fee heraushören will, dem sei Respekt gezollt – niemand geringeres als Valgeir Sigurðsson hat hier seine Finger im Spiel. Plagiat? Nicht im Geringsten. Das Dreigestirn versteht es, die voluminöse Wucht Reykjavik’scher Digitalkunst auf die US-Amerikanerinnen zu projizieren, ohne deren Authentizität zu untergraben und erschafft dadurch nie geahnte Klangwelten. Die Kompositionen beanspruchen nicht nur jede Zelle des menschlichen Körpers, sondern sie breitet sich im ganzen Raum aus. Die Dichte des Klangteppichs trägt den Zuhörer wie übergewichtige Touristen im Toten Meer. Sich treiben lassen auf den engelsgleichen, doch von Kompressoren zerrissenen Stimmen der beiden Protagonisten. Dieser Dualismus, diese Dissonanz bildet die einzige Konstante auf der Reise, die gleich im Refrain bei „Rainbowarriors” beginnt. „Promise” paralysiert den Zuhörer ab der sechsten Sekunde durch seine Synthieline, nur um ihn wenig später bei „Japan” zum Mitsingen (!) zu verführen. Und spätestens beim Cousteau’schen Intro von „Sunshine” hat er das Gefühl, nicht länger in Kansas zu sein. So verwundert es auch nicht, wenn er sich beim opulenten „Houses” unversehens in der Royal Alber Hall wieder findet. An dieser Stelle wird auch dem letzten Zweifler klar, dass sich das CocoRosie’sche Lummerland zwar kindlich unbeschwert anfühlt, aber keineswegs naiv ist. Die Komposition ist so allgegenwärtig, dass sie sich selbst negiert. Wald? Ich sehe nur Bäume!
Auch wenn man diesen Eindruck gewinnen könnte – CocoRosie wandeln zu keiner Zeit auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Der Wahnsinn entpuppt sich als Projektion des Genies, der sein Heil in der Infantilität sucht. Oder wie es Rousseaus Zeitgenosse Picasso einst sagte: „Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben.”
Die Generation der „Verlorenen Jungs” wird dieses Werk lieben, wie Pustefix und Brauner Bär. Erinnern uns Sierra und Bianca mit diesem Album doch schmerzhaft an das, was wir verloren haben: unsere Kindheit – mit all ihrer Leichtigkeit!
| Jean Michel Baptiste |
Vergleichbar mit Rousseaus genialer Infantilität, rekombinieren die Schwestern Sierra und Bianca Klänge aus einer längst vergessenen Zeit, die einzeln mit Sicherheit zur Wahrheitsfindung in US-Amerikanischen All-Inklusive-Anlagen an Cubas Südküste benutzt werden, hier jedoch mit einer Leichtigkeit, dass einem Schwindelig wird. Man möchte sich wie damals mit geschlossenen Augen und ausgestreckten Armen im Kreise drehen, bis der ganze Körper taumelt. Freudentaumel. Mit einem selbst als Mittelpunkt des Universums.
Unbeschwertheit. Dieser Begriff kommt einem unwillkürlich in den Sinn, sobald sich die Ohren an den akustischen Nexus gewöhnt haben. Wer jetzt noch eine gewisse Kongruenz zu den Werken einer kleinen Isländischen Fee heraushören will, dem sei Respekt gezollt – niemand geringeres als Valgeir Sigurðsson hat hier seine Finger im Spiel. Plagiat? Nicht im Geringsten. Das Dreigestirn versteht es, die voluminöse Wucht Reykjavik’scher Digitalkunst auf die US-Amerikanerinnen zu projizieren, ohne deren Authentizität zu untergraben und erschafft dadurch nie geahnte Klangwelten. Die Kompositionen beanspruchen nicht nur jede Zelle des menschlichen Körpers, sondern sie breitet sich im ganzen Raum aus. Die Dichte des Klangteppichs trägt den Zuhörer wie übergewichtige Touristen im Toten Meer. Sich treiben lassen auf den engelsgleichen, doch von Kompressoren zerrissenen Stimmen der beiden Protagonisten. Dieser Dualismus, diese Dissonanz bildet die einzige Konstante auf der Reise, die gleich im Refrain bei „Rainbowarriors” beginnt. „Promise” paralysiert den Zuhörer ab der sechsten Sekunde durch seine Synthieline, nur um ihn wenig später bei „Japan” zum Mitsingen (!) zu verführen. Und spätestens beim Cousteau’schen Intro von „Sunshine” hat er das Gefühl, nicht länger in Kansas zu sein. So verwundert es auch nicht, wenn er sich beim opulenten „Houses” unversehens in der Royal Alber Hall wieder findet. An dieser Stelle wird auch dem letzten Zweifler klar, dass sich das CocoRosie’sche Lummerland zwar kindlich unbeschwert anfühlt, aber keineswegs naiv ist. Die Komposition ist so allgegenwärtig, dass sie sich selbst negiert. Wald? Ich sehe nur Bäume!
Auch wenn man diesen Eindruck gewinnen könnte – CocoRosie wandeln zu keiner Zeit auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Der Wahnsinn entpuppt sich als Projektion des Genies, der sein Heil in der Infantilität sucht. Oder wie es Rousseaus Zeitgenosse Picasso einst sagte: „Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben.”
Die Generation der „Verlorenen Jungs” wird dieses Werk lieben, wie Pustefix und Brauner Bär. Erinnern uns Sierra und Bianca mit diesem Album doch schmerzhaft an das, was wir verloren haben: unsere Kindheit – mit all ihrer Leichtigkeit!
| Jean Michel Baptiste |
viasion - 7. Mai, 00:35
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