Montag, 12. Februar 2007

Die Zehn Prozent

„Ich kenne das noch aus meiner Zeit: Es gab nie mehr als zehn, elf Prozent.“ Gemeint hat Frau Schwan diejenigen unter Studierenden und Lehrenden, die sich auch extrakurrikulär um die Viadrina scheren. Klar klingt das bei den Idealvorstellungen, die man über das Allgemeininteresse des Nächsten und Demokratie überhaupt hat, ernüchternd. Aber auch ich habe kaum eine andere Erfahrung machen können.

90 Prozent der Viadrina-Studierenden sind demnach aktiv uninteressiert, was außerhalb der Hörsäle passiert. Studierendenverstretungen, wie StuPa, AStA, Fachschaftsräte oder auch andere Organisationen: Uninteressant! Stiftungsuni ja/nein: Uninteressant! So denken 90 Prozent der Studierenden. Laut Frau Schwan war das aber schon immer so.

Der Illusion, dass sich solch eine Statistik von nichts ändern wird, gebe ich mich besser nicht hin. Wie erhöht man Wahlbeteiligung? Wie bringt man 90 Prozent dazu, über den Tellerrand Ihres Vorlesungsplans hinauszuschauen? Wie steigert man Eigeninitiative und vor allem, wie wird man eine Mehrheitsmentalität los, nach welcher man von vorn bis hinten alles auf einem goldenen Tablett serviert bekommt? Was läuft bei den zehn Prozent anders als bei den 90 Prozent? Wer auf all diese Fragen eine plausible Antwort hat, möge sie bitte zum Allgemeinwohle herausschreien.

Meine eigene Theorie dazu hat nicht den Anspruch all das erklären zu können, aber sie ist in einigen Punkten sicher nicht ganz falsch: Man wird von Kindes Beinen an zur Unselbstständigkeit erzogen. Ob im frühkindlichen Elternhaus (Lass das! Das kannst du noch nicht!) oder in der Schule, in der man nach Stundenplan lebt und zu keinem Zeitpunkt relevante Gruppen- oder Teamerfahrungen sammelt. Man lernt allein, man schreibt Klausuren allein und man sammelt die Erfahrung, dass man allein gelassen wird. Man kommt aus der Schule, ohne selbstständiges Arbeiten gelernt zu haben. Selbstständiges Planen oder gar Verantwortung zu übernehmen ist uns völlig fremd. Ergo scheut man sich in Folge auch an jeder denkbaren Stelle, Verantwortung zu übernehmen. Es könnte ja was schief gehen. Und das könnte Kritik bedeuten. Kritikfähig ist man aber nur, wenn man schon einschlägige Gruppenarbeitserfahrungen gesammelt hat. Alles Fehlanzeige! Schaut man sich dann das Studium an, so gibt es auch hier viele Fächer, in denen man weiterhin einen Stundenplan vorgesetzt bekommt und die Notwendigkeit zur Eigenverantwortung, zur Selbstständigkeit oder gar zu extrakurrikulärem Handeln einfach nicht besteht. Zusätzlich befinden wir uns durch den immer größer werdenden zeitlichen (Bachelor, Master) und wohl bald auch finanziellen (Studiengebüren) Druck, der auf die Studierenden ausgeübt wird, auf dem besten Wege, diese Tendenz über die 90 Prozent hinaus zu verstärken.

„Nichts ist mir teurer als Bildung“ sagte Marc Aurel einst. Möge auch in Zukunft wenigstens Einer aus Zehn Selbstständigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Eigeninitiative als die hohen Bildungsgüter erkennen, die zivilgesellschaftliches Engagement, Kultur und gesellschaftliches Zusammenleben erst ermöglichen.

//Kyniker

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