Samstag, 20. Januar 2007

Von Polieren, ungeschriebenen Gesetzen und Neuerungen auf dem Bau

„Aus Schaden wird man klug.“ Na ja, nicht immer. Nur so ist meine Rückkehr auf den Bau zu erklären. Ich wollte eigentlich nie wieder den Fuß auf eine Baustelle setzen, um dort zu arbeiten. Hingegen gefiel mir das Vorbeilaufen an Gerüsten, Betonmischern und Schubkarren und mein nicht nur innerliches Lachen beim Betrachten der emsigen Arbeiter.

Da war ich also wieder. Inmitten von Idioten, Wichtigtuern und Tagelöhnern, die den ganzen Tag Gegenstände nicht unter dreißig Kilo schleppen und so tun als ob ihr Job der wichtigste im Universum ist. Anfänglich wurde ich erst einmal zur Urkundenfälschung angestiftet (§§267 StGB ff. – bis zu fünf Jahren Haft oder Geldstrafe) – ist ja nicht so schlimm, wenn der Zeitarbeitsvermittler hier und da ein wenig mauschelt. Dann rüber zum Polier. Die wohl ungewöhnlichste Berufsstandsbezeichnung in der zivilisierten Welt. Auf dem Bau übrigens gleichbedeutend mit „Halbgott“ oder „...was der sagt ist Gesetz“. Natürlich auch nur ein Idiot unter vielen. Meiner konnte zum Beispiel einen Pförtnereingang und die Warenannahme nicht unterscheiden. Was mir dann 2000m extra eingebracht hat. Ein Notebook hatte er sich auch schon angeschafft und versuchte nun verzweifelt damit umzugehen. Gut, wenn der einfache Helfer da mal reinsehen und den ein oder anderen Hinweis geben kann.

Über die Arbeiten an sich brauche ich eigentlich nichts zu erzählen, denn es ist immer das selbe. Bauutensilien schleppen wie die Ägypter als sie ihre Pyramiden bauten und genau den Dreck wegmachen, den die sogenannten Fachkräfte hinterlassen. Mancher ist nicht mal so unhöflich, aber wahrscheinlich beruhigen Stundenlöhne um die dreißig Mark auch ungemein. Als Grundsatz könnte gelten: Je niedriger der Stundenlohn und die Qualifikation, desto höher ist die Gefahr, dass der jenige Baumensch einen Affen macht oder irgendwie dumm daherkommt. Die typischen Bauszenen konnte ich auch wieder betrachten. Einer arbeitet und zwei plus x Leute stehen rum und kommentieren bzw. halten die Klappe. Das Umhertragen von Holz, Betonresten, Müll usw. von einem Standort zum nächsten, wo es dann wieder fehl am Platze ist und wiederum weggetragen werden muss gehört zum Bau, wie das Gelbe zum Ei. Kontinuierliches Arbeiten ist den Bauarbeitern fremd, denn entweder sie lassen alles ganz ruhig angehen, was den größten Teil des Tages ausmacht oder sie „schuften“ eine halbe Stunde mal richtig los, um dann wieder in Lethargie zu verfallen. „Keine unsozialistische Hast aufkommen lassen“ und „erst mal eine Zigarette schmöken“ sind die häufigsten Sätze. Die Männer vom Bau haben natürlich ihre alltäglichen Handgriffe und Tätigkeiten zumeist richtig gut drauf, aber das sollte auch nicht verwundern, wenn man jeden Tag nur fünf Aktionen ausführen muss. Sie halten auch eine Menge von ihrer Berufsehre. Aber nur der Job zählt und so tun sie dann doch alles was ihnen gesagt wird.

Dann gibt es noch eine erschreckende Feststellung meinerseits. Der Furzwagen verschwindet. Nur noch wenige dieser unnachahmlichen Heimstätten der Baumenschen, in denen sie allen ihren Trieben nachgehen konnten, verbleiben auf der Baustelle. Sie werden von modernen Containern abgelöst, in denen es aber genauso urig zugeht wie früher in den liebgewonnenen Anhängern mit mysteriösen Nummernschildern. Die Arbeitsklamotten werden nur wöchentlich gewechselt und mit dem Geruch von Zigaretten und Betonresten vermischt, gibt dies eine ganz spezielle Note.

Leider konnte ich nicht an den gewöhnlichen Saufeskapaden teilnehmen, die zweifellos stattfanden. Nur bleibt man eben als Outsider nicht nur bei den guten Dingen außen vor sondern wird auch bei den Sauereien vergessen. Gut so. Bleibt als Resultat eigentlich nur meine Aufforderung an sie, den geneigten Leser: Arbeiten sie lieber in der Toilette unter dem Alexanderplatz oder als Aufsichtsratsvorsitzender in der Berliner Landesbank, aber gehen sie nicht zum Bau, wenn sie nicht dafür geboren sind bzw. den alten Ägyptern nacheifern wollen.

Karsten Görsdorf, Berlin, Mai 2001

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